An der Bregenzerache – eigentlich ein Gebirgsfluss – entstehen fortlaufend neue Lebensräume. Nur noch wenige Gewässer können die Landschaft so ungehemmt gestalten und verändern wie die Ache in ihrem Mündungsdelta. Jedes Jahr schwemmt sie etwa 250.000 m3 Sand und Schwebstoffe und 7.000 m3 Kies in den Bodensee. Manchmal aber auch wesentlich mehr, wie beispielsweise beim Jahrhunderthochwasser 2005.
Einige Spezialisten unter den Vögeln brüten nur auf diesen vegetationsarmen Sand- und Kiesbänken. Hier sind sie aber nicht nur durch Hochwasser bedroht, sondern vor allem durch unachtsame Spaziergänger und freilaufende Hunde. Dies gilt vor allem für Flussuferläufer und Flussregenpfeifer, zwei gefährdete kiesbrütende Watvögel. Die Flussseeschwalbe, ein möwenähnlicher Vogel, findet an der Achmündung natürliche Brutstandorte, was anderswo in Mitteleuropa kaum möglich ist. Aber auch als Rast- und Schlafplatz, etwa für hunderte Große Brachvögel im Spätsommer, gewinnt dieser Lebensraum zunehmend an Bedeutung. Die auf den ersten Blick weniger auffälligen Kiesufer des Sees beherbergen eine kleinflächige, dafür aber ganz besondere Pflanzengemeinschaft: Die Strandschmielen-Gesellschaft. Die namengebende Strandschmiele ist ein unscheinbares Gras, das sich weltweit nur noch auf wenigen Quadratmetern rund um den Bodensee finden lässt. Zu den typischen Kiesuferbewohnern zählen auch Strandling und Uferhahnenfuß. Am bekanntesten ist aber das Bodenseevergissmeinnicht. Bei dieser Art handelt es sich um ein Relikt aus der Eiszeit, das nach dem Abschmelzen der Gletscher noch wesentlich weiter verbreitet war als heute. Damals boten Gletscherseen und Geröllfelder wohl ähnliche Bedingungen wie die Kiesufer des Bodensees heute. Nachdem sich der Wald ausgebreitet hatte, blieb nur noch das Seeufer als Lebensraum. Aber warum gerade der Bodensee? Dieser weist als letzter der großen Voralpenseen beachtliche natürliche Wasserstandsschwankungen auf, die Voraussetzung für das Vorkommen der Strandschmielen- Gesellschaft ist. Diese Strandrasen liegen in jenem Bereich, der ein bis wenige Monate im Jahr überflutet wird. Wenn die Überschwemmungen ausbleiben, siedeln sich Landpflanzen an. Dauern die Überschwemmungen dagegen zu lange an, können nur noch Wasserpflanzen wachsen. Wenn das Nährstoffangebot zu groß ist, verdrängt Schilf die kleinen Arten der Strandrasen. Und wenn schließlich Kies und Sand durch die Wellen verlagert werden, hat besonders das Bodenseevergissmeinnicht keine Chance zu überleben.
Vor allem wegen des Bodenseevergissmeinnichts und der vielfältigen Lebensräume an der Bregenzerachmündung wurde das Mehrerauer Seeufer zum Natura 2000-Gebiet erklärt, also zum Europa-Schutzgebiet. Besuchen Sie diesen wunderbaren Flecken Natur in Bregenz. Erholen Sie sich an den ausgewiesenen Badeplätzen oder spüren Sie die Ruhe und Kraft, die das Gebiet vor allem dann ausstrahlt, wenn die Besucherzahlen zurückgegangen sind. Wir bitten Sie aber: Halten Sie sich an die geltenden Schutzbestimmungen! Zum Wohle der Pflanzen und Tiere, die hier noch einen ihrer letzten Rückzugsräume gefunden haben.
Bregenzerleben 2018
Bilder: Markus Grabher und Manfred Waldinger